Gemeinsames Lernen –

auf dem Weg in die Inklusion:

Eine Schule für alle Kinder

 

 

„Der Weg, auf dem die Schwachen sich stärken,

ist der gleiche, auf dem die Starken sich vervollkommnen.“

 

Maria Montessori

 

 

Seit 1998 unterrichten wir Kinder mit und ohne Behinderungen an unserer Schule. Besonders in den letzten Jahren veränderte sich die Schullandschaft in diesem Bereich jedoch immens.

Mit dem Begriff der Inklusion ist das Verständnis der menschlichen Heterogenität als bereichernde Vielfalt gemeint, nach dem grundsätzlich in jeder Form von Verschiedenheit, sei es sozial, kulturell, regional oder körperlich eine Bereicherung und Ergänzung für die soziale Gemeinschaft gesehen wird. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der jede Schule und auch andere Institutionen ihren Anteil zu leisten haben.

Hier an der Maria Montessori Schule stellen wir uns jeden Tag dieser großen Aufgabe.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Am 13. Dezember 2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention). In diesem Vertragswerk sind Regelungen zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen detailliert beschrieben. Artikel 24 fordert, dass die Vertragsstaaten allen behinderten Schülerinnen und Schülern den Zugang zu einer inklusiven Schule, einer Schule für alle, ermöglichen müssen. Im März 2009 wurden die Inhalte des Übereinkommens zu geltendem Recht in Deutschland.

Für den schulischen Bereich bedeutet die Umsetzung der UN-Konvention einen umfassenden Umbau des bisherigen Schulsystems, denn die allgemeinen Schulen werden als Orte des Gemeinsamen Lernens angesehen. Förderschulen bleiben bestehen und den Eltern bleibt es unbenommen eine solche zu wählen. In Bocholt und näherer Umgebung steht jedoch nur noch eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen im Bereich der Sekundarstufe I und Förderschule Geistige Entwicklung zur Verfügung. Die Forderung nach einer inklusiven Schule bedeutet, dass alle Kinder wohnortnah mit Nachbarkindern in eine Regelschule aufgenommen werden können, wobei die im Einzelfall notwendigen Vorkehrungen getroffen werden müssen. Die sonderpädagogische Förderung erfolgt mit Unterstützung der Sonderpädagogen in der allgemeinen Schule.

Das Schulgesetz NRW (§ 19-20) sieht vor, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen nach ihrem individuellen Bedarf sonderpädagogisch gefördert werden. Die Schulaufsichtsbehörde entscheidet auf Antrag der Eltern oder der Schule über den sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Die Schulaufsichtsbehörde entscheidet ebenso über den/die Förderschwerpunkt(e) sowie über den Förderort. In der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (AO-SF) werden die Voraussetzungen und das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs und die Beteiligung der Eltern dabei geregelt. Darüber hinaus regelt sie die Grundlagen für den Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. Gemeinsames Lernen für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf kann an einer allgemeinen Schule eingerichtet werden, wenn personelle und sächliche Voraussetzungen erfüllt sind (vgl.   § 20(7) SchulG.Schulische Voraussetzungen).

 

Schulische Voraussetzungen

Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen in der sonderpädagogischen Förderung in der Grundschule, sind wir seit dem Schuljahr 2016 Schwerpunktschule für die sonderpädagogischen Unterstützungsbereiche Geistige Entwicklung sowie Hören und Kommunikation. Ebenfalls wurden wir im Jahr 2016 Schule des Gemeinsamen Lernens. Für alle Standorte weist das Schulamt zur Förderung der Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf unserer Schule für zwei Klassenzüge einen Sonderpädagogen fest zu. Einige Förderschwerpunkte werden gesondert berechnet und zugewiesen. Immer wieder bilden wir auch Lehramtsanwärter mit dem Schwerpunkt Sonderpädagogik an unserer Schule im Gemeinsamen Lernen aus. Auch diese stehen dann zur Förderung zur Verfügung.

Die Sonderpädagogen der Maria Montessori Schule decken nicht nur die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung ab, sondern verfügen darüber hinaus auch über speziell ausgebildete Sonderpädagogen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung sowie Körperliche und motorische Entwicklung. Zusätzlich wird unsere Schule von der Glückauf-Schule (Förderschule Hören und Kommunikation) mit Sonderpädagogen unterstützt.

Nachdem in den Anfängen des Gemeinsamen Lernens zunächst Schwerpunktklassen für Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf gebildet wurden, werden diese mittlerweile in allen Klassen unterrichtet. Dabei ist es inzwischen nicht mehr notwendig, einen förmlichen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung mit einem Bescheid durch das Schulamt auszuweisen, um in diesem Bereich tätig zu werden. Hierfür steht unserer Schule das oben genannte Stellenbudget zur Verfügung.

 

Diagnostik

Mit der Anmeldung an unserer Schule werden die Eltern gebeten, bereits bestehende inklusive Förderungen im Kindergarten anzugeben. Darüber hinaus durchlaufen alle Kinder ein Einschulungsspiel, im Rahmen dessen verschiedene Entwicklungsbereiche beobachtet werden (s. Einschulungsspiel). Weitere Grundlage zur individuellen Einschätzung des Kindes bilden das schulärztliche Gutachten und der Bericht des abgebenden Kindergartens, sofern die Eltern diesen der Schule zur Verfügung stellen. Im Zuge eines kurzen Anamnese-Gesprächs werden die Eltern bei Bedarf ausführlich über eine mögliche sonderpädagogische Förderung beraten und ggf. beim Stellen eines AO-SF-Antrags unterstützt.

Im Schulalltag findet neben der ständigen intensiven Beobachtung eine regelmäßige Überprüfung des Leistungs- und Entwicklungsstandes der Kinder mit Hilfe nicht-standardisierter und standardisierter (mit Erlaubnis der Eltern) Verfahren statt, aus denen nächste Lern- und Förderziele abgeleitet werden. Wird bei einem Schüler im Laufe der Grundschulzeit die Feststellung eines offiziellen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf notwendig, so helfen wir bei der Beantragung eines entsprechenden Verfahrens.

 

Inklusiver Unterricht

Alle Kinder mit (präventivem) sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf nehmen am Klassenunterricht teil und erhalten stundenweise Unterstützung durch den Sonderpädagogen. Diese Förderung kann in der Klasse, in einer Kleingruppe oder einer Einzelförderung erfolgen. Der sonderpädagogische Unterstützungsbedarf wird jährlich von der Klassenkonferenz überprüft und verlängert oder ggf. beendet. Wenn sich im Laufe der Schulzeit die Notwendigkeit eines Förderschwerpunktwechsels oder Förderortwechsels zeigt, wird dies mit den Erziehungsberechtigten besprochen und beim Schulamt fristgerecht beantragt.

Je nach dem festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf werden die Kinder zielgleich bzw. zieldifferent gefördert. Zielgleich unterrichtet werden die Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Sprache, Körperliche und motorische Entwicklung, Emotionale und soziale Entwicklung, Hören und Kommunikation und Sehen. Diese Kinder arbeiten grundsätzlich an den gleichen Lernzielen wie ihre Mitschüler. Sie werden nach den Lehrplänen der Grundschule unterrichtet.

Zieldifferent unterrichtet werden die Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen und Geistige Entwicklung. Diese Kinder können nicht die Lernziele der allgemeinen Schule erreichen, sondern arbeiten an Lernzielen, die sich an ihrem individuellen Lern- und Entwicklungsstand orientieren und den Richtlinien des jeweiligen Förderschwerpunktes entsprechen. Je nach individuellen Möglichkeiten erhalten sie differenzierte Aufgabenstellungen und Arbeitsmaterialien. Die Arbeit an den Themen der Klasse geschieht niveaudifferenziert.

 

Leistungsbewertung

Die Leistungsbewertung der zielgleichen Schüler unterliegt den allgemeinen Grundlagen des Unterrichts. Schüler, die zielgleich gefördert werden, werden nach den Lehrplänen und Richtlinien der Grundschule bewertet. Sie erhalten zum Halbjahr und/oder am Schuljahresende die gleichen Zeugnisse wie Regelschüler. Individuelle Regelungen behalten wir uns vor (z. B. ausführliche Ergänzungen in Textform).

Schüler, die zieldifferent gefördert werden, erhalten über alle Schuljahre hinweg stets Berichtszeugnisse. Die Leistungen werden aufgrund der individuellen Lern- und Förderziele beschrieben. Die Leistungsbewertung erstreckt sich bei ihnen auf die Ergebnisse des Lernens, aber auch auf die individuellen Anstrengungen und Lernfortschritte.

Bei allen Kindern mit einem festgeschriebenen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf wird dieser im Zeugnis vermerkt.

 

Unterrichtsgestaltung

Die Jahrgangsmischungen (1/2, 3/4) wie auch die gemeinsame Unterrichtung behinderter und nicht behinderter Kinder bedingen eine große Heterogenität der Schülerschaft und setzen damit die individuelle Förderung im Schulalltag voraus.

Den pädagogischen Grundsätzen Maria Montessoris folgend, gestalten wir einen großen Teil unseres Unterrichts in offenen Lernformen, insbesondere der Montessori-Freiarbeit (s. im Schulprogramm Montessori-Pädagogik). In diesem Rahmen ist es auch im Klassenunterricht möglich, die Schüler ihren individuellen Lern- und Leistungsvoraussetzungen entsprechend zu fördern.

Die Eigenaktivität und Selbstständigkeit der Schüler wird durch offene Unterrichtsformen zugelassen und unterstützt. Die Kinder erhalten die Möglichkeit, sich eigene Lernwege zu eröffnen. Fächerübergreifendes Arbeiten, Lernen an Stationen, Arbeit mit Werkstätten und Wochenpläne werden als Methoden, die allen Kindern individuelle Lernchancen ermöglichen, eingesetzt. Alle Schüler erhalten ihrem Entwicklungsstand entsprechende Materialien und Herausforderungen, um individuelle Lernfortschritte zu erzielen. Der gemeinsame Unterricht wirkt sich positiv auf die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung aller Kinder aus.

Der Unterricht der Klasse wird in der Regel von Grundschullehrkräften vorbereitet. Die Sonderpädagogen stehen dabei unterstützend zur Seite. Über einen intensiven Austausch hinaus, kommt es gelegentlich zur gemeinsamen Vorbereitung von Unterrichtsreihen. Generell unterrichten wir im Team, mit unterschiedlichen Formen des Team-Teachings. Neben dem Klassenunterricht gibt es jedoch auch die Möglichkeit, dass die Schüler in Kleingruppen oder Einzelsituationen gefördert werden. Hierfür stehen an unseren Standorten mehrere Räume zur Verfügung.

Die sonderpädagogische Förderung eines Kindes wird sofern dies möglich ist, während der gesamten Grundschulzeit kontinuierlich von einem Sonderpädagogen durchgeführt.

 

Lernentwicklung und Schulbiographie / Förderpläne

Für alle Kinder mit (präventivem) sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf werden mindestens zweimal im Jahr von der Klassenlehrerin in Zusammenarbeit mit dem Sonderpädagogen die  Förderpläne erstellt und überarbeitet. Sie geben einen guten Überblick über die Entwicklung und Fortschritte des Kindes und über die zu fördernden Entwicklungsbereiche. Sie dienen darüber hinaus als Grundlage für Elterngespräche und ggf. auch zur Leistungsbewertung.

 

Übergang in die weiterführende Schule

Zu Beginn der vierten Klasse finden Elterngespräche statt. Ziel ist es, die Eltern der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf  bezüglich der weiteren Schullaufbahn zu beraten.

Verbleiben die Kinder im Gemeinsamen Lernen, so erfolgt die Zuweisung der konkreten weiterführenden Schule (bei zielgleich geförderten Kindern der Schulformempfehlung entsprechend) mit den notwendigen Förderressourcen durch das Schulamt.

 

Kooperation

Sonderpädagogen, sozialpädagogische Fachkräfte, Schulsozialarbeiter und Grundschullehrer arbeiten im Team und stehen dementsprechend ständig in intensivem Austausch miteinander. Dies gilt auch für die Nachmittagsbetreuung in der OGS.

Beim Gemeinsamen Lernen ist die Mitarbeit der Eltern für die Förderung des Kindes von großer Bedeutung. Demzufolge finden regelmäßig, meist im Rahmen der Elternsprechtage, Gespräche der Sonderpädagogen und der Grundschullehrkraft mit den Eltern der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf statt, bei Bedarf werden zusätzliche Termine vereinbart. Dabei werden die Eltern über den Leistungs- und Entwicklungsstand ihres Kindes informiert, geben ihrerseits Rückmeldung über das Lern- und Leistungsverhalten ihres Kindes im häuslichen Umfeld und die weitere Förderung wird besprochen. Es können auch Verstärker- oder Belohnungssysteme abgesprochen werden, die durch die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule wirksam werden.

Damit Inklusion gelingen kann, bedarf es einer engen Kooperation zwischen allen Beteiligten, gegebenenfalls in Form eines runden Tisches. Eine Kooperation erfolgt je nach Bedarf mit medizinischen bzw. therapeutischen Einrichtungen, dem Jugendamt und anderen betreuenden Institutionen.

Unterrichtsintern findet eine enge Zusammenarbeit mit Schulbegleitern einzelner Kinder statt.

 

Teilnahme am Qualitätszirkel

An den regelmäßig stattfindenden Sitzungen des Qualitätszirkels sonderpädagogische Förderung der Städte Bocholt, Isselburg und Rhede nehmen die Lehrkräfte für Sonderpädagogik regelmäßig teil. Dort werden aktuelle Entwicklungen im Gemeinsamen Lernen besprochen und Neuerungen aus dem Schulamt weiter gegeben. Daneben können Fragen und Probleme erörtert werden. Außerdem werden interne Fortbildungen durchgeführt.